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Schöne neue Pflanzenwelt?

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  • Innovative Ansätze durch den Einsatz von "Genscheren" lösen regulatorische Neubewertung der EU aus
  • Auch bei neuen gentechnischen Verfahren bestehen Risiken
  • Schwierige Abwägungen von positiven und negativen Nachhaltigkeitsaspekten
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„Die Veränderung hat keine Anhänger. Die Menschen hängen am Status quo. Man muss auf massiven Widerstand vorbereitet sein.“ Diese grundsätzliche Aussage wird dem ehemaligen General Electric-CEO Jack Welch zugeschrieben. Sie trifft auch auf die seit langem bestehende, breite Ablehnung grüner Gentechnik in Europa zu – also Pflanzenzucht mittels gentechnischer Produktionsverfahren.

Doch ist diese Voreingenommenheit noch immer gerechtfertigt? Aussichtsreiche technologische Fortschritte in diesem Bereich sprechen dafür, die kritische Haltung zumindest zu überprüfen. Die EU-Kommission hat im Juli 2023 einen Änderungsvorschlag zur bestehenden Gesetzeslage eingereicht: Bei Anwendung eines bestimmten Herstellungsverfahrens sollen die bislang strengen Vorgaben für den Umgang mit genetisch veränderten Organismen (GVO) gelockert werden. Dadurch könnten Innovationen im Bereich grüne Gentechnik angeregt und ausgewählte Ziele des EU Green Deal erreicht werden.¹ Die so erzeugten Pflanzen sollen zudem unempfindlicher gegen Dürren oder Überschwemmungen sein. Trifft dies zu, ließe sich dadurch der Gesamtertrag bei landwirtschaftlichen Gütern weltweit verbessern – ein wichtiger Faktor im Kampf gegen den Hunger.

Der rasante Fortschritt in diesem Bereich ist auch für nachhaltig orientierte Asset Manager von großer Bedeutung. Stellen gentechnisch veränderte Agrarrohstoffe eine Art Allheilmittel für den Agrar- und Lebensmittelbereich dar? Oder überwiegen – wie schon in der Vergangenheit – (potenzielle) negative Nebeneffekte der Gentechnik, die aus ESG-Sicht gegen ein Investment in beteiligte Unternehmen sprechen? In diesem Spannungsfeld ist für Asset Manager ein breiter Analyserahmen in Hinblick auf Vor- und Nachteile der grünen Gentechnik wichtig, um ausgewogene Anlageentscheidungen treffen zu können.


¹ Siehe dazu die folgende Pressemitteilung der Europäischen Kommission.

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Doch was sind die Neuerungen und Vorteile, die die EU-Kommission zu den vorgeschlagenen Regeländerungen im Bereich der grünen Gentechnik veranlassten? Wodurch unterscheidet sich die neue Gentechnik (auch neue genomische Technologie genannt, kurz: NGT) von klassischer Gentechnik? Und wie sehen die regulatorischen Rahmenbedingungen aus? Ein Überblick:
  • Klassische Gentechnik (GVO): Bei diesem Prozess wird artfremdes Genmaterial in die Zelle einer Kulturpflanze eingebracht. Vorteil: Theoretisch kann eine Vielzahl an gewünschten Ausprägungen übertragen werden, etwa eine erhöhte Resistenz gegen Schädlinge. Nachteile: Das Verfahren entspricht keinem natürlichen Prozess. Die Übertragung der artfremden Gene erfolgt zudem eher ungenau und kann zeitaufwendig sein. Die so genetisch veränderten Kulturpflanzen unterliegen unter anderem deshalb in der EU strengen, regulatorischen Vorgaben.
  •  Neue Gentechnik (NGT): Mittels einer so genannten Genschere² können spezifische Teile eines Pflanzengenoms herausgetrennt und zielgerichtet durch neues, gewünschtes Genmaterial der gleichen Pflanzenart ersetzt werden. Vorteile: Das Verfahren ist relativ effizient. Durch NGT kann eine Vielzahl von Veränderungen vorgenommen werden. Befürworter argumentieren, dass diese Kreuzungsmethode theoretisch auch in der Natur ablaufen kann. Nachteile: Die so erzeugten Pflanzen sind nachträglich nicht von natürlich entstandenen Pflanzensorten zu unterscheiden. Zudem sind auch durch NGT erzeugte Pflanzen nicht komplett fehlerfrei. NGT ist bislang in Europa wie klassische Gentechnik streng reguliert.³
Wie sehen die aktuell gültigen, regulatorischen Vorgaben der EU konkret aus? Basis ist die sogenannte Freisetzungsrichtlinie der EU aus dem Jahr 2001. Diese regelt den Umgang mit GVO, also auch von Pflanzen, die mit klassischen gentechnischen Verfahren verändert wurden. Durch die EU-Richtlinie wird festgelegt, unter welchen Bedingungen genetisch veränderte Pflanzen – und daraus gewonnenes Saatgut – zur Ausbringung auf Feldern und für die weitere Verwendung als Futter- oder Lebensmittel genehmigt werden. Dafür müssen das Vorsorgeprinzip eingehalten, eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorab durchgeführt, Langzeiteffekte überprüft und Kennzeichnungspflichten eingehalten werden.⁴

Ausgelöst durch eine Klage von französischen Bauernverbänden musste sich auch der europäische Gerichtshof mit dem technologischen Fortschritt im Bereich neuer Gentechnik befassen und bestehende Regelungen und Klassifizierungen überprüfen – mit einem für viele Beteiligte unerwartet strengen Ergebnis: Der Gerichtshof der Europäischen Union urteilte im Jahr 2018, dass auch Pflanzen, die mittels NGT – also der Genschere – erzeugt werden, wie klassische GVO-Pflanzen zu regulieren sind.⁵ Ein Rückschlag für die Verfechter der neuen Gentechnik, auch weil dadurch der erhoffte, kommerzielle Erfolg für beteiligte Unternehmen im Pflanzen- und Saatgutbereich im Keim erstickt wurde – zumindest in der EU.

Die von der EU-Kommission nun vorgeschlagenen, regulatorischen Anpassungen und Lockerungen betreffen ausschließlich neue Pflanzenarten, die durch NGT erzeugt wurden. Werden Pflanzen bei diesem Prozess so verändert, dass diese Anpassungen (theoretisch) auch durch bereits etablierte Kreuzungsverfahren oder in der Natur entstehen könnten, so sollen diese neuen Pflanzenarten und Saaten nicht mehr zu den GVO zählen. Dadurch würden sie auch nicht mehr den strikten Regelungen der Freisetzungsverordnung unterliegen. Aus Sicht der EU-Kommission gelingt es durch diese Initiative auch, sich internationalen Gentechnik-Regelungen anzunähern. Die damit verbundene Hoffnung: Eine Innovationsoffensive im Bereich grüner Gentechnik mit positiven Abstrahleffekten auf die Wirtschaft und Unternehmen in diesem speziellen Marktsegment.


² In der Wissenschaft wird der bildliche Begriff der Genschere auch als CRISPR/Cas bezeichnet. Mittels dieser Technologie ist das Editieren des Genoms („genome editing“) gerade in den letzten Jahren deutlich einfacher und zielgerichteter geworden – nicht nur bei Pflanzen. Neben CRISPR/Cas gibt es noch weitere Verfahren, die zur neuen Gentechnik gezählt werden.
³ Einen breiten Überblick – und eine Beurteilung – zur Neuen Gentechnik liefern das Informationspapier und das ergänzende FAQ-Dokument des BMUV.
⁴ Zu den Kernpunkten der Freisetzungsrichtlinie siehe die folgende Übersicht des BUND.
⁵ Siehe dazu das Urteil des EuGH aus dem Jahr 2018.
⁶ Für die grundsätzlichen Ziele der Initiative siehe Fußnote 1; Ausführungen zum technischen Procedere und zur Abgrenzung spezieller NGT-Pflanzenarten finden sich hier.
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Beim Thema Gentechnik trennt jedoch – nicht erst seit dem Vorschlag der EU-Kommission – ein tiefer Graben die Befürworter von den Gegnern dieser Technologie. Eine Vielzahl an Studien existiert, die (mehr oder weniger einsei-tig) entweder die Chancen⁷ oder aber die Risiken⁸ herausstellen. Im Hinblick auf die grundsätzlichen Vorteile von Gentechnik – und NGT im speziellen – werden in diesen Untersuchungen besonders folgende Punkte genannt, die aus ESG-Sicht relevant sind:
  • Grüne Gentechnik ist vor allem durch die Nutzung der Genschere schnell, zielgerichtet, effizient und quasi naturidentisch.
  • Die veränderten Pflanzen sind resistenter gegen Schädlinge – der Einsatz von belastenden Pestiziden und Herbiziden fällt geringer aus.
  • Mittels NGT veränderte Pflanzen sind besser gegen Extremwetter gewappnet und tragen zur Stabilisierung des Ernteertrags bei.
  • Nährstoffgehalt und Ernteertrag werden durch neue Pflanzensorten gesteigert – ein wichtiger Beitrag im Kampf gegen den Hunger.
  • Speziell angepasste Pflanzensaaten verbessern die regionale Versorgungslage in schwierigen Anbaugebieten und stärken die Autarkie.
Diese Punkte würden für sich bedeuten, dass durch den Einsatz von grüner Gentechnik einige drängende ökologische und soziale Probleme im Agrar- und Lebensmittelbereich gelöst werden könnten. Aber stimmen die Argumente? Und/oder gibt es sonstige negative Aspekte, die schwerer wiegen als die möglichen Vorteile?
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In dieser komplexen Gemengelage aus wissenschaftlichen Kontroversen und wirtschaftlichen Interessenkonflikten müssen nachhaltig orientierte Asset Ma-nager dennoch klar Stellung beziehen. Egal wie diese Entscheidung im Hin-blick auf grüne Gentechnik ausfällt: Unter ESG-Gesichtspunkten stellt die gewählte Positionierung einen schmalen Grat dar. Denn letztlich ist es wahrscheinlich, dass grüne Gentechnik sowohl positive als auch negative Nachhaltigkeitseffekte hat. Das heißt, es ist auf jeden Fall eine Abwägungsentscheidung notwendig – und dies unter hoher Unsicherheit.

Unter reinen Anlagegesichtspunkten bedeutet eine Ablehnung der grünen Gentechnik, dass bestimmte Unternehmen, etwa aus dem Chemie-, Agrar- und Lebensmittelbereich, zumindest für Nachhaltigkeitsfonds ausgeschlossen werden. Vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden, liberaleren EU-Regulatorik kann das künftig wichtige Unternehmen mit hoher Börsenkapitalisierung betreffen – das Ergebnis wäre eine empfindliche Beschränkung des investierbaren Anlageuniversums und möglicher Performancepotenziale.

Auf der anderen Seite ist eine gewisse Skepsis gegenüber den tatsächlichen Chancen der grünen Gentechnik – und damit verbundenen Investments – weiter angebracht. Denn in puncto neue Gentechnik gilt: Forschung zu NGT ist bereits seit einigen Jahren erlaubt – auch in Europa. In der Praxis zeigt sich jedoch: Neue Pflanzenzüchtungen, die vor allem in Nord- und Südamerika zum Einsatz kommen, weisen bislang vor allem Resistenzen gegenüber Pestiziden auf. Weitere Erfolgsmeldungen? Eher Fehlanzeige. Noch schwerer wiegt: Neben bereits genannten ökologischen Problempunkten sind es vor allem die nicht mehr mögliche Unterscheidung zwischen NGT-Pflanzen und natürlichen Varianten sowie die Unumkehrbarkeit von NGT-Züchtungen, die unter Gesichtspunkten des Risikomanagements gegen die neue Gentechnik sprechen. Es ist eine dieser Konstellationen, die der Schriftsteller Nassim Nicholas Taleb 2007 als schwarze Schwäne charakterisiert hat: Die Eintrittswahrscheinlichkeit ist sehr klein – aber wenn es doch zum Fall der Fälle kommt, kann der Schaden enorm groß sein. Investments im Bereich der grünen Gentechnik sind deshalb aus ESG-Sicht auch bezogen auf NGT weiter kritisch zu beurteilen.

Union Investment schließt aus diesen Gründen in seinen auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Fonds Unternehmen aus dem Bereich der klassischen und auch der neuen Gentechnik weiter aus, wenn das Umsatzvolumen mit diesen Technologien – und darauf aufbauenden Produkten – größer als fünf Prozent ist. Aus UI-Sicht überwiegen nach wie vor die bestehenden Risiken den nach-weisbaren Nutzen. Jedoch: Wissenschaftliche, wirtschaftliche und rechtliche Entwicklungen werden vor allem in Bezug auf NGT weiter eng begleitet. So steht zum Beispiel das abschließende Votum auf EU-Ebene noch aus. Sollten zudem belastbare Forschungsergebnisse eine schlüssige und belegbare Argumentation erlauben, könnte eine Neueinschätzung unter ESG-Gesichtspunkten erfolgen.


⁹ Zur Erläuterung siehe die Studie der Heinrich-Böll-Stiftung; die Studie gibt einen Überblick über die kritischen Folgeeffekte von herbizidtoleranten Gen-Pflanzen.
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