Können Waffen nachhaltig sein?
Ukraine Krieg als Gratwanderung für ESG InvestorenKönnen Waffen nachhaltig sein?
- Russischer Angriffskrieg provoziert Frage nach der Nachhaltigkeit konventioneller Waffen und ihrer Hersteller
- Gutes Beispiel für Grenzsituationen bei ESG-Investments
- Position von Union Investment unverändert: Waffen sind notwendig, aber nicht nachhaltig
Kriterien nachhaltigen Investierens auf dem Prüfstand
Die aufgeflammte Debatte über Waffen hat große Relevanz für die Finanzwirtschaft, darunter für die Asset Manager. Denn bislang galt gerade unter nachhaltigen Investoren und bei der Ausgestaltung von ESG-Investmentstrategien überwiegend der Grundsatz: Investments in Waffen- und Rüstungsgüterproduzenten sind tabu. Das zitierte Statement des BDSV ist ein Indiz dafür, dass solche Nachhaltigkeitsfilter für die betroffenen Unternehmen inzwischen eine gewisse Relevanz haben – wer nicht nachhaltig ist, kommt schwerer an Finanzierungen. Muss also die Finanzindustrie im Lichte der Entwicklung im Osten Europas eine Neubewertung vornehmen, sind die Nachhaltigkeitskriterien zu streng? Ist es ein Widerspruch, wenn anerkannte, durch und durch defensive sicherheitspolitische Notwendigkeiten mit Nachhaltigkeitsgrundsätzen nicht vereinbar sind? Oder überspitzt gefragt: Müssten nachhaltige Investoren nicht bereit sein, die verstärkte Aufrüstung zugunsten wehrhafter Demokratien mitzufinanzieren?³
―
¹ Siehe dazu auch den vollständigen Text des BDSV.
² Unter anderem werden solche nachhaltigen Ziele (oder auch: „Sustainable Development Goals“) in den 17 SDGs (speziell in den SDG 3 und 16) der Vereinten Nationen gefordert.
³ Laut einer aktuellen Studie der Investment-Beratungsfirma bfinance aus dem April 2022 geben 39 Prozent der befragten, institutionellen Investoren an, dass der Krieg in der Ukraine zu Anpassungen und/oder Überprüfungen in den jeweiligen ESG-Prozessen geführt hat.
ESG-Kriterien müssen systematisch sein, nicht situativ
Konventionelle Anlagestrategien und Fonds konnten schon immer in den Rüstungsbereich investieren, wenn sie dies unter fundamentalen Gesichtspunkten für aussichtsreich erachteten. Dies gilt auch für Fonds von Union Investment, solange die Unternehmen keine geächteten, atomaren, biologischen oder chemischen Waffen produzieren. Weite Teile des Asset Managements sind also grundsätzlich in der Lage und auch gewillt, Investitionen im Rüstungsbereich zu tätigen.
Dezidierte Nachhaltigkeitsstrategien hingegen schließen durch ihre speziellen Anlagegrundsätze und ESG-Regelungen Investitionen in Rüstungsunternehmen häufig aus. Dies hat mehrere Gründe:
- Auch durch den Einsatz von konventionellen Waffen kommt es zum Verlust von Menschenleben, schweren Verletzungen, Qualen sowie hohen Sachschäden bis hin zu totaler Verwüstung.
- Konventionelle Waffen können genutzt werden, um Freiheitsrechte einzuschränken, Menschen auszubeuten und die Welt durch ihren Einsatz unsicherer zu machen.
Aus diesen Gründen können sich Grundsätze nachhaltigen Investierens nicht an einem speziellen Fall wie dem Ukrainekrieg orientieren, seien hier die Rollen zwischen Aggressor und Überfallenem auch noch so klar verteilt. Letztlich wäre eine Adjustierung dieser Grundsätze und der dahinterliegenden Bewertungssystematik inkonsequent und langfristig inkonsistent. Wir betrachten Waffen als notwendig, aber nicht als nachhaltig.
Kritiker mögen einwenden, dies sei eine Haltung nach dem Motto „wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“. Denn viele europäische Staaten, darunter auch Deutschland, haben die Notwendigkeit zur Erhöhung der Verteidigungsausgaben eingesehen. Aber: An diesem Prozeß wird Union Investment durchaus auch im Nachhaltigkeitsbereich beteiligt sein, aber eben indirekt, durch den Kauf von Staatsanleihen. Die Logik dahinter: In demokratischen Gesellschaften liegt das Gewaltmonopol beim Staat. Durch den Erwerb von Staatsanleihen werden notwendige Investitionen in Verteidigungsausgaben ermöglicht. Mittels dieser (vorab systematisch überprüften) Finanzierung von (ausschließlich) freiheitlich-demokratischen Ländern wird auch die Erreichung der nachhaltigen Ziele der SDGs 3 (Sicherstellung von Gesundheit und Wohlergehen) und 16 (Etablierung von Frieden, Gerechtigkeit und starken Institutionen) unterstützt.
Somit lässt sich für Union Investment festhalten: Die Stärkung der wehrhaften Demokratie wird zwar in der Tat vor allem durch konventionelle Anlagestrategien unterstützt. Aber auch ESG-Investmentstrategien stehen diesen Bestrebungen nicht grundsätzlich im Weg.
―
⁴ So wird unter anderem auch das neu aufgelegte Sondervermögen des Bundes für die Bundeswehr über 100 Milliarden Euro durch den Kauf von deutschen Staatsanleihen unterstützt werden.
Nachhaltigkeit als Flaschenhals für Rüstungsinvestitionen?
―
⁵ Die hier genannten, internationalen Unternehmen sind bei Union Investment jedoch aufgrund von wirtschaftlichen Aktivitäten in atomaren Geschäftsbereichen konzernweit ausgeschlossen; deutsche Rüstungsunternehmen wie beispielsweise Rheinmetall und MTU Aero könnten hingegen zumindest in konventionellen UI-Fondsprodukten, zum Einsatz kommen.
Glaubwürdigkeit wichtiger als opportunistische Renditechancen
Fazit
Bezogen auf Investitionen in Waffen beziehungsweise Rüstungsunternehmen hält Union Investment als Asset Manager diese zwar für notwendig, aber – nach wie vor – für nicht nachhaltig! Für nachhaltige Investitionsentscheidungen hat somit die Maxime Bestand, dass die Schäden und das Leid, die mit Waffen erzeugt werden können, ein direktes Investment in die Aktien von Rüstungsunternehmen unter ESG-Gesichtspunkten nicht zulassen.
Der Einsicht in die Notwendigkeit, wehrhafte Demokratien zu stärken, stehen ESG-Strategien aber dennoch nicht grundsätzlich im Weg. Denn durch den Kauf von ausgewählten Staatsanleihen werden staatliche Rüstungsinvestitionen indirekt ermöglicht.