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Können Waffen nachhaltig sein?: Ukraine Krieg als Gratwanderung für Investoren

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Können Waffen nachhaltig sein?

  • Russischer Angriffskrieg provoziert Frage nach der Nachhaltigkeit konventioneller Waffen und ihrer Hersteller
  • Gutes Beispiel für Grenzsituationen bei ESG-Investments
  • Position von Union Investment unverändert: Waffen sind notwendig, aber nicht nachhaltig
Zum Anfang
„Sicherheit ist die Mutter aller Nachhaltigkeit“! Mit diesem Statement hat der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie e.V. (BDSV) unter anderem ESG-Investoren herausgefordert.¹ Können Waffen nachhaltig sein? Die Diskussion über diese Frage hat seit Beginn des Krieges in der Ukraine vor allem in Deutschland und Europa an Intensität gewonnen. Abgesehen von strikten Pazifisten überwiegend unbestritten ist: Waffen können auf jeden Fall notwendig sein, um Frieden, Freiheit und Demokratie zu schützen.² Die Wiedererstarkung dieser Erkenntnis hat jüngst zu einem merklichen Shift in der deutschen Sicherheitspolitik geführt. Warum aber sollte etwas, das solchen Werten und anderen SDG-Zielen dient, nicht nachhaltig sein können?

Die aufgeflammte Debatte über Waffen hat große Relevanz für die Finanzwirtschaft, darunter für die Asset Manager. Denn bislang galt gerade unter nachhaltigen Investoren und bei der Ausgestaltung von ESG-Investmentstrategien überwiegend der Grundsatz: Investments in Waffen- und Rüstungsgüterproduzenten sind tabu. Das zitierte Statement des BDSV ist ein Indiz dafür, dass solche Nachhaltigkeitsfilter für die betroffenen Unternehmen inzwischen eine gewisse Relevanz haben – wer nicht nachhaltig ist, kommt schwerer an Finanzierungen. Muss also die Finanzindustrie im Lichte der Entwicklung im Osten Europas eine Neubewertung vornehmen, sind die Nachhaltigkeitskriterien zu streng? Ist es ein Widerspruch, wenn anerkannte, durch und durch defensive sicherheitspolitische Notwendigkeiten mit Nachhaltigkeitsgrundsätzen nicht vereinbar sind? Oder überspitzt gefragt: Müssten nachhaltige Investoren nicht bereit sein, die verstärkte Aufrüstung zugunsten wehrhafter Demokratien mitzufinanzieren?³  

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¹ Siehe dazu auch den vollständigen Text des BDSV.
² Unter anderem werden solche nachhaltigen Ziele (oder auch: „Sustainable Development Goals“) in den 17 SDGs (speziell in den SDG 3 und 16) der Vereinten Nationen gefordert.
³ Laut einer aktuellen Studie der Investment-Beratungsfirma bfinance aus dem April 2022 geben 39 Prozent der befragten, institutionellen Investoren an, dass der Krieg in der Ukraine zu Anpassungen und/oder Überprüfungen in den jeweiligen ESG-Prozessen geführt hat.







Zum Anfang
Grundsätzlich lassen sich bezogen auf die aktuelle Diskussion Anlageprodukte und Investmentstrategien – nicht nur bei Union Investment – in zwei Kategorien unterscheiden:

Konventionelle Anlagestrategien und Fonds konnten schon immer in den Rüstungsbereich investieren, wenn sie dies unter fundamentalen Gesichtspunkten für aussichtsreich erachteten. Dies gilt auch für Fonds von Union Investment, solange die Unternehmen keine geächteten, atomaren, biologischen oder chemischen Waffen produzieren. Weite Teile des Asset Managements sind also grundsätzlich in der Lage und auch gewillt, Investitionen im Rüstungsbereich zu tätigen.

Dezidierte Nachhaltigkeitsstrategien hingegen schließen durch ihre speziellen Anlagegrundsätze und ESG-Regelungen Investitionen in Rüstungsunternehmen häufig aus. Dies hat mehrere Gründe:
  • Auch durch den Einsatz von konventionellen Waffen kommt es zum Verlust von Menschenleben, schweren Verletzungen, Qualen sowie hohen Sachschäden bis hin zu totaler Verwüstung.
  • Konventionelle Waffen können genutzt werden, um Freiheitsrechte einzuschränken, Menschen auszubeuten und die Welt durch ihren Einsatz unsicherer zu machen.
Diese Punkte stellen für Union Investment die inhaltliche Basis für das Verbot von direkten Investments in Waffenproduzenten in nachhaltigen Investmentansätzen dar. Denn: Waffen können schlicht nicht in „gut und böse“ oder „offensiv und defensiv“ eingeteilt werden. Ihre Verwendung ist langfristig nicht zu kontrollieren oder eindeutig zu beurteilen. Durch ihren Einsatz drohen immer Kollateralschäden. Auf den Punkt gebracht: Waffen, egal um welche es sich handelt und von wem sie genutzt werden, stehen am Ende immer in einem unauflösbaren Widerspruch zur tieferen Bedeutung von Nachhaltigkeit. Hinzu kommt, dass eine Vielzahl von Rüstungsunternehmen durch Kontroversen vorbelastet sind und deshalb in nachhaltigen Anlagestrategien ausgeschlossen sind. Ob nun bewusst von Unternehmen gefördert oder nur billigend in Kauf genommen, Fakt ist in jedem Fall: Viele Waffen finden ihren Weg zu Menschen, die nicht rein defensiv im Auftrag demokratischer Staaten agieren.

Aus diesen Gründen können sich Grundsätze nachhaltigen Investierens nicht an einem speziellen Fall wie dem Ukrainekrieg orientieren, seien hier die Rollen zwischen Aggressor und Überfallenem auch noch so klar verteilt. Letztlich wäre eine Adjustierung dieser Grundsätze und der dahinterliegenden Bewertungssystematik inkonsequent und langfristig inkonsistent. Wir betrachten Waffen als notwendig, aber nicht als nachhaltig.

Kritiker mögen einwenden, dies sei eine Haltung nach dem Motto „wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“. Denn viele europäische Staaten, darunter auch Deutschland, haben die Notwendigkeit zur Erhöhung der Verteidigungsausgaben eingesehen. Aber: An diesem Prozeß wird Union Investment durchaus auch im Nachhaltigkeitsbereich beteiligt sein, aber eben indirekt, durch den Kauf von Staatsanleihen. Die Logik dahinter: In demokratischen Gesellschaften liegt das Gewaltmonopol beim Staat. Durch den Erwerb von Staatsanleihen werden notwendige Investitionen in Verteidigungsausgaben ermöglicht. Mittels dieser (vorab systematisch überprüften) Finanzierung von (ausschließlich) freiheitlich-demokratischen Ländern wird auch die Erreichung der nachhaltigen Ziele der SDGs 3 (Sicherstellung von Gesundheit und Wohlergehen) und 16 (Etablierung von Frieden, Gerechtigkeit und starken Institutionen) unterstützt.

Somit lässt sich für Union Investment festhalten: Die Stärkung der wehrhaften Demokratie wird zwar in der Tat vor allem durch konventionelle Anlagestrategien unterstützt. Aber auch ESG-Investmentstrategien stehen diesen Bestrebungen nicht grundsätzlich im Weg.

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⁴ So wird unter anderem auch das neu aufgelegte Sondervermögen des Bundes für die Bundeswehr über 100 Milliarden Euro durch den Kauf von deutschen Staatsanleihen unterstützt werden.
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Lobby-Gruppen, Unternehmensvertretern und Politikern, die im Geiste des Eingangsstatements des BDSV argumentieren, muss man also nicht folgen. Es ist bislang auch nicht erkennbar, dass die gestiegene Bedeutung nachhaltiger Investmentstrategien die internationale Rüstungsbranche an sich gefährdet – insbesondere nicht wenn es um staatliche Rüstungsinvestitionen demokratischer Länder geht. Betrachtet man etwa Unternehmen wie Lockheed Martin, Raytheon und Northrop Grumman aus den USA, aber auch BAE Systems und Thales aus Europa, so zeigt sich, dass diese Unternehmen am Kapitalmarkt wirtschaftlich bestehen und erfolgreich sein können – und dies nicht nur in Zeiten des Krieges.⁵ Zwar mag es in Einzelfällen, gerade bei mittelständischen, nicht-börsennotierten Unternehmen, zu Härtefällen bei Finanzierungsfragen kommen. Aber dies kann wie erläutert kein Grund sein, Rüstungsgüter und Rüstungsunternehmen als nachhaltige Investition einzustufen.


⁵ Die hier genannten, internationalen Unternehmen sind bei Union Investment jedoch aufgrund von wirtschaftlichen Aktivitäten in atomaren Geschäftsbereichen konzernweit ausgeschlossen; deutsche Rüstungsunternehmen wie beispielsweise Rheinmetall und MTU Aero könnten hingegen zumindest in konventionellen UI-Fondsprodukten, zum Einsatz kommen.


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Selbstverständlich ist es überdies kein Argument, dass Konsequenz in der Nachhaltigkeitsstrategie in diesem Fall einen kleinen Renditenachteil bedeuten könnte. Generell hat sich ja inzwischen die Erkenntnis durchgesetzt, dass nachhaltiges Investieren keinen Performancenachteil bedeutet. In einer spezifischen Situation wie aktuell der Outperformance der Rüstungsindustrie kann dies natürlich auch mal anders aussehen – kurzfristig. Aber: Die härteste Währung für einen nachhaltig orientierten Asset Manager ist Glaubwürdigkeit. Diese aufs Spiel zu setzen um temporär opportunistisch Renditechancen am Kapitalmarkt auszunutzen, wäre im wahrsten Sinne des Wortes nicht nachhaltig.
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Nachhaltiges Investieren ist oft ein schmaler Grat. Der Umgang mit Waffen ist nur ein Beispiel für Investmentsituationen, die eben nicht schwarz-weiss sind. Es gibt häufig Ziele, die in Konkurrenz zueinander stehen, die nicht gleichzeitig erreichbar sind, die vermeintliche oder auch tatsächliche Widersprüche enthalten. Der einzig glaubwürdige und langfristig konsistente Weg damit umzugehen ist, klare Grundsätze zu haben, die sich nicht an Einzelsituationen orientieren – seien sie auch noch so dramatisch wie aktuell der Ukrainekrieg. Wer auf einem schmalen Grat unterwegs ist, wird in offenen Gesellschaften immer auch Kritik auf sich ziehen, gerade in einer von Interessengruppen geprägten Wirtschaft. Aber, salopp gesagt: Das müssen und können ESG-Investoren aushalten!

Bezogen auf Investitionen in Waffen beziehungsweise Rüstungsunternehmen hält Union Investment als Asset Manager diese zwar für notwendig, aber – nach wie vor – für nicht nachhaltig! Für nachhaltige Investitionsentscheidungen hat somit die Maxime Bestand, dass die Schäden und das Leid, die mit Waffen erzeugt werden können, ein direktes Investment in die Aktien von Rüstungsunternehmen unter ESG-Gesichtspunkten nicht zulassen.

Der Einsicht in die Notwendigkeit, wehrhafte Demokratien zu stärken, stehen ESG-Strategien aber dennoch nicht grundsätzlich im Weg. Denn durch den Kauf von ausgewählten Staatsanleihen werden staatliche Rüstungsinvestitionen indirekt ermöglicht.
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