Biosprit – Nachhaltigkeit zwischen Tank und Teller
Nichtfossile Kraftstoffe mit ambivanlenter NachhaltigkeitsbilanzBiosprit – Nachhaltigkeit zwischen Tank und Teller
- Biokraftstoffe tragen zur Dekarbonisierung bei
- Aber: ökonomische und soziale Nebeneffekte als Folge
- Zahlreiche globale Wechselwirkungen erhöhen Komplexität
- Nachhaltige Investmententscheidungen auf Einzelfallbasis
Biokraftstoffe – beide Seiten der Medaille beachten
Unter sozialen Gesichtspunkten ist dieser Standpunkt nachvollziehbar. Allerdings lässt diese Einschätzung einen wichtigen ökologischen Faktor unberücksichtigt: Biokraftstoffe tragen durch die Beimischung in Benzin- und Dieselkraftstoffen dazu bei, den Transportsektor zu dekarbonisieren, und wirken somit dem Klimawandel entgegen. Schnell wird klar: In der Debatte um Biofuels existiert ein Zielkonflikt zwischen ökologischen und sozialen Nachhaltigkeitskriterien. Für Asset Manager wie Union Investment stellt sich deshalb die Frage: Wie ist eine Priorisierung von widerstreitenden ESG-Aspekten bei nachhaltigen Investitionsentscheidungen zu begründen?
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¹ Konventioneller oder auch klassischer Biokraftstoff (Bioethanol oder Biodiesel – sogeannte Generation-1-Biofuels) wird aus nachwachsenden, landwirtschaftlichen Rohstoffen wie etwa Getreide, Öl- und Zuckerpflanzen gewonnen.
² Siehe dazu den kompletten Kommentar der Organisation von März 2022.
³ Ausgelöst durch den Ukrainekrieg und die verschärften Versorgungslücken gibt es aktuell Vorschläge, die zulässigen Mengen an konventionellem Biosprit deutlich zurückzufahren; siehe dazu den Bericht von April 2022 zu den Plänen von Umweltministerin Lemke.
Biofuels mit positivem Klimabeitrag
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⁴ Die Emissionen im Verkehrsbereich sind im Zeitraum 1990 bis 2019 um 33,5 Prozent angestiegen; siehe dazu die Informationsseite des Europäischen Parlaments; im weiteren Verlauf des Textes werden vor allem Probleme und Lösungen für Kraftstoffe im Personen-verkehr diskutiert.
⁵ Siehe dazu die Übersicht der Europäischen Kommission zur überarbeiteten Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) aus dem Jahr 2018, die auch Regelungen zu Biofuels enthält.
⁶ Siehe dazu auch die Pressemitteilung des BMUV aus dem Mai 2021.
Konventionelle Biokraftstoffe – nicht alles ist gut
- Die Ausweitung der benötigten Fläche zur Produktion landwirtschaftlicher Güter – auch für Biofuels – hat gerade in den letzten Jahren zu Rodungen und Flächenumwandlungen geführt. Diese Entwicklung belastet die Biodiversität besonders in einigen Schwellenländern, erhöht die CO2-Emissionen und trägt dadurch zum Klimawandel bei
- Speziell in den Schwellenländern fördert die Nachfrage nach konventionellen Biokraftstoffen zudem die Ausweitung von kritischen Monokulturen, etwa beim Anbau von Palmöl, Zuckerrohr, Soja und Mais
- Die für Biofuels verwendeten Agrarrohstoffe stehen nicht zur Lebensmittelproduktion zur Verfügung. Die potenziell mögliche Menge an Nahrungsmitteln fällt deshalb geringer als theoretisch möglich aus
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⁷ Eine Zusammenfassung über die Rahmenbedingungen im Bereich Bioenergie, die Konkur-renzsituation zu anderen Wirtschaftsbereichen und die indirekten Änderungseffekte bei der Landnutzung liefert ein Artikel des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2022.
Rahmenbedingungen in Deutschland verändern sich
In Deutschland weisen in der aktuellen politischen Diskussion Biosprit-Befürworter darauf hin, dass durch drohende geringere Beimischungsquoten verbindliche Dekarbonisierungsziele im Verkehrsbereich verfehlt werden könnten. Aus diesem Grund könnten Strafzahlungen anfallen, bestehende Produktionsstrukturen und Arbeitsplätze würden gefährdet und ein Stück Energiesouveränität würde aufgegeben. Denn in diesem Fall müsste bei gegebenem Gesamtverbrauch als Ersatz mehr fossiler Kraftstoff importiert und verwendet werden. Die globalen Wechselwirkungen bleiben hier allerdings unerwähnt. Deutschland und die EU sind weltweit wichtige Produzenten und Exporteure von Biofuels (besonders im Bereich Biodiesel). Die dafür notwendigen Rohstoffe werden zum Teil aus dem Ausland bezogen. Diese Importnachfrage sorgt gerade in einigen Schwellenländern für negative ökologische Entwicklungen. Neben dem Blick auf den heimischen Agrarbereich ist es deshalb wichtig, auf globaler Ebene die Effekte in der Wertschöpfungskette von Biokraftstoffen zu berücksichtigen.
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⁸ Für eine detaillierte Übersicht über die THG-Quote und Hinweise auf verschiedene Biofuel-Varianten siehe die folgende Übersicht des BMUV.
⁹ Im Unterschied zu den konventionellen Biokraftstoffen der ersten Generation bestehen die Inputfaktoren bei neuartigen Biofuels der zweiten Generation zum Beispiel aus Abfällen aus dem Agrarbereich, Tierfetten, gebrauchten Speiseölen und Celluloseprodukten. Weitere Antworten auf häufig gestellte Fragen in diesem Zusammenhang liefert eine Übersicht des BMUV.
Globale Perspektive zur Meinungsbildung notwendig
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¹⁰ Siehe dazu auch folgende Grafik, die die regionale Aufteilung, aber auch den starken An-stieg der produzierten Menge an Biokraftstoffen seit dem Jahr 2005 deutlich macht.
Investmententscheidungen auf Einzelfallbasis
Dieser Herausforderung müssen sich auch Asset Manager wie Union Investment bei ihren Investmententscheidungen stellen – gerade bei Anlagen, die einem Nachhaltigkeitsansatz folgen. Denn entgegen anderen kontrovers diskutierten ESG-Themen existieren beim Thema Biokraftstoffe keine vordefinierten, allgemein akzeptierten Ausschlusskriterien. Investmententscheidungen erfolgen deshalb auf Basis qualitativer Abwägungen für jedes Unternehmen einzeln. Portfoliomanager können dabei grundsätzlich zwischen zwei Anlageoptionen wählen – und den damit verbundenen Implikationen:
Entweder investieren sie in bereits etablierten Produzenten von Generation-1-Biofuels und in dem damit verbundenen Potenzial zur Dekarbonisierung – nehmen aber in Kauf, dass diese Entscheidung mit negativen Auswirkungen auf andere Nachhaltigkeitsbereiche verbunden ist.
Oder aber sie fokussieren sich auf Unternehmen, deren innovative Produkte weniger Nebenwirkungen aufweisen als konventionelle Biofuels und eine insgesamt bessere ESG-Bilanz besitzen. Allerdings: Der Markt für sogenannte Generation-2-Biofuels ist aktuell noch klein und die Zahl an investierbaren Unternehmen relativ gering. Der absolute Beitrag zur Dekarbonisierung durch neuartige Biokraftstoffe ist deshalb noch begrenzt.
Man muss sich also entscheiden: Entweder maximiert man die Wirkung oder man minimiert die Nebenwirkung – beides zusammen geht leider noch nicht.
Aber: Die Förderung durch die Politik – wie etwa in der EU – wird der Entwicklung im Bereich der Generation-2-Biofuels Rückenwind verleihen und langfristig zu einer Mengenausweitung führen. Verlässliche Unterstützungsmaßnahmen helfen Herstellern von neuartigen Biokraftstoffen bei ihren Investitionsplänen und wirken sich in vielen Fällen vorteilhaft auf technologische Weiterentwicklungen aus.
Unternehmen wie Darling Ingredients aus den USA setzen bereits jetzt stark auf die Erzeugung neuartiger Biokraftstoffe und die damit verbundenen Zukunftsaussichten. In puncto Nachhaltigkeit zeichnet das Unternehmen aus, dass es bei der Produktion auf Inputfaktoren wie etwa gebrauchtes Speiseöl zurückgreift – und eben nicht auf klassische Agrarrohstoffe. Darling Ingredients trägt somit dazu bei, den Zielkonflikt zwischen ökologischen und sozialen Nachhaltigkeitskriterien im Bereich Biokraftstoffe zu entschärfen.
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